Jakobsweg

Italienisches Frühstück umsonst – Jakobsweg

Tag 9: Wie ihr wisst, habe ich heute auf dem Berg genächtigt. Ihr könnt euch vorstellen, wie kalt es heute Morgen dort oben war. Um 8:00 Uhr musste man spätestens die Herberge verlassen. Die Radfahrer verlassen eher als letztes das Haus. Doch

an schlafen war nicht mehr zu denken ab 6:00 Uhr. Heute war ich dann richtig sauer, da die Leute wirklich rücksichtslos waren. Wir Fahrradfahrer kehren auch viel später abends in die Herbergen ein. Für einen Wanderpilger endet der Tag meist circa 15:00 Uhr. Wenn man dann abends spät in die Herberge kommt, so wie gestern um 20:00 Uhr, bekommst du nur tötende Blicke, weil du dann ja erst mal anfängst dein Gepäck auszuräumen. Da wollen die Herrschaften dann nicht mehr gestört werden. Aber morgens um 6:00 Uhr machen sie die Welle. Das ist dann auch egal. Da man es aber nicht ändern kann, nehme ich es so hin.
Ich mache mich in Ruhe fertig und bin die Letzte in der Herberge. Als ich meine restlichen Sachen aus dem Schlafsaal holen möchte, sehe ich am Stuhl eine Tasche hängen – die nicht mir gehört. Ich schaue hinein: Zwei Kreditkarten, Pilgerausweis und 500 €. Ein Ausweis eines italienischen Herrn. Was soll ich jetzt machen? In der Herberge ist niemand mehr. Wenn ich die Tasche einfach hängen lasse, dann kommt gleich die Putzfrau – ich will nichts unterstellen, aber dem würde ich jetzt nicht vertrauen. Da ich eh in der ortsansässigen Bar frühstücken möchte, entschließe ich mich die Tasche mitzunehmen. Wenn es meine wäre, wäre dies ein Anlaufpunkt, wo ich nachfragen würde. Ich fahre zur Bar, frühstücke in Ruhe und bereite einen Zettel vor, den ich in die Tasche mit hinein legen möchte. Es ist ein reges Treiben in der Bar. Jede Menge Menschen. Trotzdem fällt der Italiener auf, der plötzlich panisch in die Bar gerannt kommt. Ich rufe ihn zu mir und er guckt mich verwirrt an. Dann ziehe ich seine Tasche hervor und er fällt mir um den Hals. Danach ist er vor mir auf die Knie gegangen und hat sich tausendmal bedankt. Es war übrigens auch ein Fahrradfahrer, der allerdings schon den Berg hinunter gefahren war und circa 30 km entfernt gemerkt hat, dass er die Tasche hat hängen lassen. Er hat sich auf gut Glück ein Taxi genommen, obwohl er keinen Cent mehr in der Tasche hatte. Das muss der reinste Nervenkrieg für ihn gewesen sein. Ich fühle mich gut, wieder eine gute Tat begangen. Wie kann ein Tag besser anfangen? Und ich habe lecker und umsonst gefrühstückt – Mr. Italiano hat bezahlt.

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3 Kommentare zu „Italienisches Frühstück umsonst – Jakobsweg

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